Autor: Christoph Zimmermann
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#46 Emmy Huhn
w53. In Amsterdam verfolgt sie Zahlungsströme in einem Bestattungsunternehmen, namentlich Debitorenverwaltung, berechnet den erwarteten Verlust und den Wert im Risiko, was etwas übertrieben wirkt, doch ist der Laden auch nicht klein: Hier was machen, da was sehen, mustern, was sich ändert. Sie schaut auf das Wasser der Herengracht und auf ein altes Motorboot mit viel…
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#39 Regula Knepp
w45. Die früher als Traktorist tätige, jetzt arbeitslose Floristin, sitzt etwas kopflos am Bullingerbrunnen, verfolgt den Wasserbogen auf der Schale und sinnt dem Wunsch nach, dass mehr wäre als der Brief in ihren Händen. Sie ist aufgebrochen, fortgegangen. Alles geht ihr durcheinander. Eine Frau ist doch auch ein menschenartiges Wesen, selbst wenn sie den Mann…
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#35 Kornelia Hase
w60. Die in Münster ausgebildete, vor vielen Jahren dort nicht übernommene Justizangestellte, inzwischen lang schon in der Personalverwaltung von Billerbeck tätige (und die Kränkung ist vergessen), fuhr am Wochenende mit der ältesten Tochter (38) nach Frankfurt. Das Teeverkostungsseminar ist ein Geburtstagsgeschenk ihrer drei Kinder. Mutter und Tochter warten am Hintereingang vom Teegeschäft zum Seminarraum vor…
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#45 Sabrina Hasenkopf
w52. „Fucking Fuckery Fuck Fuck Fuck!“ schreit sie, doch keiner hört es. Sie hat das Mikro ausgeschaltet – gegen jede Regel. Ein lichtblauvioletter Strich zu viel. „Only God can judge me.“ Kaum verständlich subvokalisierend, summt sie von Entitäten, der Straßen, Leben oder beider Opfer. Unter Berücksichtigung ihres aktuellen Arbeitsplatzes als Agronom ist Straße kein Konzept.…
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#32 Leon Anacker-Peters
m15. Sie hatte niemals eine Antwort, wenn er sie fragte. Irgendwie jeden Moment, den er je ausmachen konnte, war sie weg, genau, chirurgisch ohne Blut und scharf geschnitten weg, jedenfalls immer richtig wichtig und begründet weg. The girl of high albedo. Sie hatte sehr oft Klavier und Flöte, oder so, in dem Lyzeum und traf…
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#49 Ulrike Schultz
w35, im hohen Innenhof der Isenburg geht Alfons, der Trakehner, im Vollmond erstmals, still aus der Piaffe in Pesade, er trägt den Schweif so ruhig wie gemalt und greift weit aus der Schulter. Er schmiegt sein ganzes Pferdsein einwärts, und Menschenkind stört Pferd nicht bei der Arbeit. Es hatte Plan einmal, wohl wirr, das Pferd…
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#37 Juliana Spellmeyer
#37w. Sie kannte ihn von letzten Jahren. Er war sehr schnatz gewesen, dann war es aus. Sie ist nie lange in Berlin. Sie war seither auch länger weg. Beruflich. Nun ist sie wieder da. Berlin – hört man – ist anders als Millionenstädte: schneller grausam, diverser, brutalistischer, mehr porno und bei Weitem nicht so sesshaft…
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#42 Marie Kalb-Barthelby
w67. „Kalb-Barthelby, die alte Frau, macht sich jetzt rattig?“ schreibt die ledige Kunsthistorikerin und Reisekauffrau aus Bad Sooden-Allendorf in lang vergessener, verbundener Handschrift, weil der PC schon lange nicht mehr tut, und sie es eigentlich lieber nicht möchte: an ihre sechsundneunzig Jahre alte Mutter auf dem alten Briefpapier zu schreiben. Ihr waren tausend Blatt davon…
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#34 Adem Arnolt
35m. Mit der Freundin hatte es beim letzten Male nicht geklappt. Er hat so Angst vor Urologen. Sein Hausarzt sprach empathisch. So ging er doch und ist nun sehr entlastet. Vier geleckte Marken um den schlappen Penis drumgewickelt hatte er morgens an den Perforationen durchgerissen in seinen Patagucci Capillari Unterhosenfunktionsripp Shorts gefunden. Zwei-Euro-fünfundsiebzig-Wohlfahrtsbriefmarken mit Orgelpfeifen…
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#24 Philipp Stück
63m. Er hatte die Realschule ohne Abschluss 1969 verlassen, eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann abgebrochen, eine andere 1972 ordnungsgemäß beendet. Die berufliche Entwicklung blieb wechselvoll, doch lebhaft. Nie kann er sie erzählen. Seine beste Zeit war als Vertreter für den dänischen High-End Audio-Hersteller Gryphon in Bryrup. Dort war es manchmal laut. Das gefällt ihm heute noch.…
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#27 Lenja Lange
w37. Die Garten- und Landschaftsgärtnerin ward geboren und erzogen in Oberhausen und dann immer dort geblieben. Hauptsächlich, weil sie nicht wegkonnte. Sie hatte immer jemand, um den sie sich kümmern musste. Und sie hat sich dann gekümmert. Sie arbeitete in einem Betrieb in gemeinnütziger Trägerschaft für drei Jahre, viel mit Jugendlichen, und fand das gut,…
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#40 Emilie Meier
w57. Die alleinerziehende, quereingestiegene Realschullehrerin aus Essen-Haarzopf hatte die Höhere Handelsschule besucht, Abschluss mit der Mittleren Reife, Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten gemacht und danach in der Ausbildungskanzlei gearbeitet. Dort wurde sie schwanger, gebar die Tochter, klärte das und kümmerte sich um das Kind. Später ging das Leben ihr verloren. Sie hat es nun vergessen.…