#52 Samira Müller

w61. Die in der DOB-Abteilung vom Kaufhof angestellte Verkäuferin fährt in ihrem 9 Jahre alten dunkelkirschroten Subaru Forester die Straße hoch. Es regnet einzelne Tropfen. Im Westen leuchten Blitze unter tiefen Wolken. Im Radio läuft „Twist In My Sobriety“. Das hat sie lange nicht gehört. Ihr Blick ist leicht vergoldet. Sie lächelt vage unbestimmt und pocht mit beiden Zeigefingern abwechselnd auf das Lenkrad, wackelt rhythmisch mit dem Kopf und fährt deutlich schneller als die erlaubten 20 Stundenkilometer. Ein Sperling zerspritzt fast an der Windschutzscheibe, doch haltend schwebt er ihr vor, stürmend in Luft und Regen, laut tschilpend auf und ab und wedelt dürre Schwingen. Ein leiser, weicher Schlag vorn rechts, sie spürt es kaum beim steuern. Auf der Straße bleibt ein honigbeiges Bündel still. Sie schaut noch in den Spiegel: Alles bleibt still und weit zurück. Sie setzt die Fahrt fort. Der Sperling holt von hinten auf. 

Auf eine tote Hündin

Tief unter Schilden grub sie durch,
streng parallel am Raster,
aus den Augen ging sie kalt.

Sie war die Einzige von uns,
die je so fliehen könnte,
und alle andern blieben hier.

Der uns gelehrten Bilder werden mehr.
Alle müssen durch die Gatter laufen.
Viele gehen nicht hindurch.

Sie kann entsetzend schweigen
bis dorthin, wo es nichts mehr gibt, und
Menschenwelt dem Eis wird weichen.

Der Ort des Geschehens als what3words Adresse:

orgelt.zeuge.hufeisen

Echo von „Der Hund und der Sperling“ Grimms Märchen Gesamtausgabe in fünf Bänden. Band 3. Lumpengesindel. Textem Verlag, Hamburg, 2022. S. 20 – 23

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