w62. Sie kommt eigentlich – wie man so sagt: “eigentlich”, wenn man dort sehr lange schon nicht mehr gewesen ist – aus Duisburg . Dann aber Oberhausen. Brathähnchen sind ihr Geschäft. Hauptsächlich. Doch ihre Liebe gilt der Currywurst. Sie war vor vielen Jahren mit der Schule am Ku-Damm in Berlin. An der Fasanenstraße bekam sie Hunger. Seither sucht sie die Rote Wurst mit Zwiebeln und der Soße in Kartoffelsalatpampe – hier gilt es, das Industrieprodukt und die persönliche Note der Bude zu balancieren, auf einem Hochseil gerade zu tarieren – doch nie mit Pommes Frittes. Kinder bekam sie. Zwei. Sie wurde Tagesmutter und war als geringfügig Beschäftigte in zwei oder drei Imbissbetrieben nebenher gelaufen. Sie hat dort weiter heimlich an der Soße gebastelt. Bei ihrem Arbeitgeber war im Lauf des letzten Jahres der Eindruck entstanden, dass sie ihrer täglichen Arbeit wegen der damit verbundenen Belastungen nicht mehr gewachsen wäre. Sie ist AU-geschrieben, hatte inzwischen auch verschiedene Kontakte mit der Agentur für Arbeit. Dort hält man sie nachhaltig für nicht mehr schwer, sondern unvermittelbar und empfahl, die Rente wegen Erwerbsminderung alsbald zu beantragen. Dies tat sie. Es ist alles eingereicht. Heute morgen ist sie von Oberhausen im Nahverkehr mit der Bahn gefahren und fand den Weg vom Bahnhof-Zoo zurück an die Fasanenstraße.

Geheimnisse sind besser als Liebe
Teil 1: Der Blitz.
Das eine Blitzen in die Welt,
den one and only ever Blitz,
der von dir kam,
das falkenflinke Schlagen,
das volle Spektrum abgeblendet,
die eine Emission, die traf
den nur du sehen konntest.
Teil 2: Die Klarheit des Modells.
Die Katze ist lebendig,
der Kater aus dem Sack.
Ort bestimmbar, doch nicht Richtung,
weit und weg und lang vergessen.
Rund mag der Kopf sich wenden, Runden drehen,
Stadien durchlaufen,
die Blende dreht sich mit.
Wir senden ab und fangen auf
nur was den Eigenschlitz passiert,
dem Eigenzustand konveniert
rasternd, scannend,
Geschütze über das Glacis,
und können gar nicht anders.
Teil 3: Der Brand der Absorption.
du mal sahst von
von wo wohl was
und warst nicht da
und rettest was wie wild
splitter scherben linien
kinder wurden
mikrometeormäßig
was durch alle schotten
schmettert
hartes vakuum da draußen
du kann die welten
nicht verstehen und ich
verstehst nicht
mit deinen augen
oder deine sagen
sag ich dir was ist
wünschst ich kann
wahrscheinlich
Teil 4: Das Modell formt sich und verborgene Dinge werden offenbart.
Wenn wir heut‘ auseinander gehen,
Beschleunigung und Rotverschiebung,
kannst du mich nicht mehr sehen.
Wo man nicht sehen kann,
wird rechnen nicht zur Schande.
Geheimnisse kann ich verbergen,
doch meine Liebe nicht.
Ich seh‘ die Welt im Dunklen Wald.
Sie ist für niemand unauffindbar
im gleißend harten, weißen Sonnenschein,
so werd‘ ich allen singen.
Teil 5: Man kann so vieles sagen und tut es nicht.
Eintausend Meter tiefer Stille hangend:
solmisiere mal ein „oh“
in disparater Töne wechselvollem Streben.
„Das Chinesische“
– sprach mein Vater, da ich ein Kind war –
„ist eine tonale Sprache.“
Sprich einfach mal ein „ach“
und suche hinter „ah“ das „ch“,
den velaren Frikativ, der sterbend‘ dir zum Röcheln wird.
Der Wunde Wunder fasst und zwingt.
Teil 6: Der Ort.
Unteilbar ist die Welle in der Welt,
ihr Kamm, der Schwingen zwang.
Aus vieler Schlitze Lücken und
abgeschossenen Photonen schwillt die Fuge.
Wir seh‘n wohin, doch nie, wo wir uns trafen,
und bleiben schwingend so verschränkt.
Der Ort des Geschehens als What3Words-Adresse:
„Wenn wir heut auseinander gehen“ ist der Titel eines Songs von Roy Black (1968).
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