#26 Jasmin Kolbe

w49. Der Realschulabschluss war gelungen. Doch nach abgebrochener Lehre beim Kaufhof ward sie jäh ins Rough verschlagen. Keiner wusste wie. Sie wollte alles, immer, und wieder alles anders haben als gehabt. Sie hat es nie gekriegt und machte Witze über „Always crashing in the same car“. „But Fighting“ schickte sie noch hinterher, doch immer seltener. Später im Leben hat sie bunte Heldenpunkte auf die Kinderbildplakate thematisch wechselnder Selbsthilfegruppen in die tropisch grünen Blätterwälder des imaginierten Gelingens geklebt, Medaillen und Abzeichen gesammelt, eine Olympionikin des Versagens, und keiner hörte ihr mehr zu. Kennt jemand (mwd) jemand (mwd), der eine Frau (mwd) plusfourty wie Jasmin (w>d,49) liebte? Sie sieht das selbst genau so. Arbeitsunfähig. Lebensunfähig. Ohne Liebe verloren. Sie liegt auf dem Rücken in der Wurzelbrut einer Linde im Park. Sie ist vergewaltigt worden. Da sie wusste, wo das Kaninchen rammelnd wetzt, baute sie eine Handfalle. Die Fickerei an sich war apperzeptiv schmerzarm. Sie schüttelt Kopf und Locken, die immer weiter wilden, hält kurz und leise inne, greift in den Nacken, schaut sich um, ob wer da ist, der sie so kennt, und wickelt Haar in Armen um den Kopf zu ihrem Helm, rollt über wundes Fleisch sich schmerzvoll auf vier Beine, kniet und zieht kaputt geschwollen linkes Knie mit beiden Händen weit nach vorne, die Baumwollunterhose hinterher, Doppelripp reißt in ovales Loch und fasert. Sie stützt sich auf das Knie mit beiden Ellenbogen, die tappend, tastend rechte Hand findet den Stamm der Linde, greift hinauf. Es ruft ein Käuzchen. Sie dreht sich hin zum Käuzchenruf, lacht laut auf, als wäre etwas da. Sie zögert. Erinnern taucht aus Tiefen. Es fasst der Augen strahlend Grau und sinkt hinein. Sie erhebt sich. Dunkel ist sie kaum noch sehbar. Es glänzt ein Schild am Parkrand, und eine Stange leuchtet silbern. Behutsam rührt sie an die tief zerfurchte Lindenrinde, klopft kurz darauf und wischt mit freier Hand den fremden Sabber von der Stirn.

Die Radierung (Auf ein Neugeborenes)

Ubo, ach, Uhu,
lautlos ist der 
der Schwinge Schlag.

Gesungen, gedichtet,   
gefilmt und gemalt,
nie wirst du,
was du nicht warst.

Ich sitz‘ im Keller.
Kein Wasser
Mir raucht Säure
kein Verdünnen.

Geschnitten, geätzt,
Kupfer und Silber, 
Platin und Gold.
Atem bricht.

Spuren von Kratzern
kratzen Spuren
in Lunge und Geist.
Blasen wischt des Uhus Feder.

Lautlos. Sieh! Die Spuren
wachen, wachsen, brennen, lösen
Sein und seien,
alles fließt.

Mal in den Fluss
Angst des Irrens,
Macht des Willens,
Furcht des Irrtums.

Uhu, ach, Ubo,
schnell ist durch das
Wischen der Schwinge.

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