#44 Malte Mohr-Mayer

m41. Als Kind wünschte Malte sich manchmal, sein Vater wäre Bauarbeiter oder Betonbauer. Er war eher gegen Geld eingestellt, weil seine Eltern Geld hatten. Sie waren anders. Seine Eltern hatten niemals für ihn Zeit. Malte erkannte früh, dass Bildung mit Einkommen zu tun hat. Malte machte deshalb kein Abitur. Er wohnt in der Einliegerwohnung im Haus seiner Eltern und ist mit seiner Bildungsbiografie im Reinen. Malte ist jetzt einundvierzig Jahre alt. Sein Vater ist sehr dominant. Er hat eine eigene Praxis. Seine Mutter ist angepasst und nicht da. Sie hat eine eigene Praxis. Die Eltern sind völlig gefangen im Leistungsdenken, sagt Malte. Er wäre gerne ein Arbeiterkind. Beim Weitsprung in der fünften Klasse hielt er vor der Grube und fragte, was er dort tun sollte. Das war ein Hilfeschrei. Die Eltern hatten so viel um die Ohren, dass sie den Hilfeschrei nicht hörten. Er hat jetzt Sicherheit beim Bauamt. Es fällt ihm schwer, eine Frau kennenzulernen. Er sucht nun eine Wohnung. Diese Suche lässt auch ein Stück weit Entfremdung von den Eltern wieder hochkommen. Das ist wirklich hart und Malte fühlt sich im Denken von früher gefangen. Malte will mehr: Malte möchte – lieber als Opern hören – eine Kanutour machen und etwas entwickeln, das vorher verkümmert war. Er spürt, dass in ihm Neues wird.

Zwanzig Jahre danach: Am nach Hause gehen

Zu spät kommt er nach Hause. Kaum steht er mehr.
Ihm springt der Hund so freudig an die Socke
Der Sohn träumt Florida mit Strand und Meer. 
Die Frau, sie wünscht sich sehr, das vorbarocke

Knochen Kochen soll ein Ende finden.
Zur Küche soll er. Jeder will was essen.
Freunde sind am trinken, sich am binden.
Sie ruft ihm nach: Latein war Scheiße, Turnen angemessen.

Schlauerwerden kostet sehr viel Geld.
Bildung wächst von Felderträgen. Der Herden
Schlachterlös bezahlt den Putz der Innenwelt.
Derweil der Sohn spielt heiter mit den Pferden.

Was ihm gedieh, wird er dem Sohn mit Liebe schenken.
Er wünscht sich nur, das Kind wird selber denken.

Der Ort des Geschehens als what3words Adresse:

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Mein Text nutzt einen Artikel von Leonie Feuerbach und verkürzt ihn sehr: „Der Sohn des Herrn Doktor“ Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.3.2022, Seite 10, online hier. Dieser Beitrag wiederum ist ein gekürzter und überarbeiteter Auszug aus ihrem Buch „Fremd in der eigenen Familie. Wenn sich Kinder von ihren Eltern entfernen“, das bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen ist; 206 Seiten, 23 Euro.

Die Zeichnung hat als Vorlage ein Foto von Ulrich Metz, 1986, für das Schwäbische Tagblatt Tübingen (www.metzfoto.de). Ich danke sehr für seine freundliche Genehmigung, denn die Zeichnung übernimmt seine Bildgestaltung vollständig. Das Foto war im ST verwendet worden für einen Bericht über die Vernissage einer Einzelausstellung von ter Hell, Berlin, im April 1986 in der Galerie Hartl und Klier, Tübingen, die es nicht mehr gibt. Im Hintergrund sind zwei Bilder von ter Hell zitiert.

Im Titel des Gedichtes geistert: Ten Years After: I’m going Home (Live at Woodstock), und dann gibt es noch von Tedeschi Trucks Band: Learn How to Love, und wie ab 5:30 verhandelt wird. Andreas Gryphius‘ Schäferskind hat auch noch einen kleinen Auftritt.

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