#48 Ute Wagner

w39. Die Pflegefachfrau hatte, als die Tochter überraschend kam, und jeder rief damals nach Schwester kommal, alles gleichzeitig, und echt so wirklich voll toll gemacht mit Ausbildung und Kindbekommen, dem Mannbehalten und das alles super hingekriegt. Die kleine hat nun Abitur seit einem Jahr. Und ihr Mann (also der Ute Mann. Bei den kleinen weiß man ja nie, was läuft, die werden gerne auch mal schwanger) ist immer noch bei ihr – vielleicht auch umgekehrt, your mileage may vary – und hat eine eigene orthopädische Praxis. Das teure Kind wuchs dennoch nicht ganz grad in Colorado. Egal, die Tochter will nun Koch studieren und wurde in Lyon genommen. Das soll zum Bachelor in Culinary Arts and International Management führen. Danach vielleicht auch Master in Culinary Leadership und dann vielleicht gar Doktorhut: ein PhD in Kochkunst mit sozialer Verantwortung und nutritivem Verhalten. Auf dem Weg ins Stadtmuseum stehen Mutter und Tochter vor einem Weingeschäft und schauen auf die Flaschen: sie sprechen über Abendessen und die Wahl der Weine, denn Papa will am Abend kommen. Da fliegt der Mutter was ins Auge, sie reibt es unter weicher Linse in die Hornhaut. Sie tatscht die Handtasche herbei, sie kramt umher und findet ihre Tropfen nicht. Sie kann noch immer kein Französisch. So schickt sie die Tochter in den Optikladen neben den Weinen zum Tropfen holen, steht weiter tränend vor dem Weingeschäft und schaut der vielen Flaschen Preise.

Klammern
(@Buch Orange)

Der roten Baumarktklemmen polymer gummierte Griffe, 
die das Buch offen halten sollen, harren:
fäkal getrocknet dürres Band,
gedörrtes Aas, der Wunde Stinken.
Die Knochen sind schon längst entfernt.

Der Kühlschrank träumt,
er wäre Lade eines Bundes,
die lang verloren unter Felsen steht,
nachdem sich mal ein Mensch genährt,
und progredient in Sand verweht.

Sieh die bossierten Sandsteinquader,
der Fronten Pflasterstrand und schau der
Beletage Sprossenfenster, die hohen, strengen
Innenläden und der Tapeten Seidenfluss.
Ich hole etwas Holz zum Heizen.

Ich bringe eine Decke. Wie der Falke
rüttelt bewache ich den Schlaf.

Du hast das Buch gelesen
und weißt schon lange, wer ich bin.

Der Ort des Geschehens als what3words Adresse:

empört.dieses.geschulte

Die 1990 von Paul Bocuse gegründete Ecole des Arts Culinaires et d’Hôtellerie d’Ecully (seit 2002 Institut Paul Bocuse) heißt seit 2023 Institut Lyfe. Das Institut hat den Charakter einer privaten Universität und vergibt staatlich anerkannte Bachelor und Master-Abschlüsse. Es wird auch ein PhD-Program für Doktoranden angeboten

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